Wieder nickten die vier alten Menschen betroffen. Marie trat an Brunis Bett heran und strich ihrer toten Freundin mit ihren wund genagten Fingerspitzen über die Wange. „Mach’s gut, Bruni“, flüsterte sie kaum hörbar, während ihr eine Träne über die Wange lief.
„Sie glauben, dass sie an einem Herzanfall gestorben ist?“, meldete sich Onno Willms zu Wort, ohne den Blick von Bruni und Marie abzuwenden.
„Ja. Alles deutet darauf hin.“
„Sie hat sich wohl noch eine Spritze gegeben“, bemerkte Katharina tonlos.
„Eine Spritze?“ Die Ärztin sah sie aus erstaunten Augen an. „Woher hätte sie denn eine Spritze haben sollen?“
Katharina zuckte mit den Schultern. „Ich dachte nur. Weil da eine liegt.“ Sie deutete mit dem Finger unter das Bett. Die Ärztin zog die Stirn in Falten und bückte sich. Tatsächlich. Mit spitzen Fingern nahm sie die Spritze in die Hand und betrachtete sie eingehend.
„Bisschen weiter hinten liegt auch ein Fläschchen“, bemerkte Katharina.
Erneut griff die Ärztin unters Bett. Als sie auf das Etikett des Fläschchens blickte, wurde sie blass. „Das ist ein starkes Beruhigungsmittel“, sagte sie und warf einen Blick auf die Tote. Rasch legte sie Fläschchen und Spritze beiseite und schob dann die Ärmel von Brunis Nachthemd hoch. „Da ist ja ein Einstich“, sagte sie nachdenklich und rieb mit dem Finger über einen nicht sehr ausgeprägten blauen Fleck in Brunis linker Armbeuge.
„Hat sie sich wohl doch `ne Spritze gegeben“, stellte Onno fest.
„Nein, ganz bestimmt nicht“, schüttelte die Ärztin den Kopf, „das Mittel hätte sie …“ Sie stutzte. „Es hätte sie umgebracht“, vollendete sie heiser ihren Satz.
„Selbstmord?“, rief Marie mit entsetzt aufgerissenen Augen. „Nie im Leben hätte Bruni das getan! Ausgeschlossen! Völlig ausgeschlossen!“
„Völlig ausgeschlossen“, stimmten ihr die Freunde unisono zu.
„Ich …“ Die junge Ärztin fuhr sich fahrig durch die Haare und schien nicht zu wissen, was sie jetzt tun sollte. Mit einem verzweifelten Blick schaute sie auf die tote Bruni und dann die vier Freunde der Reihe nach bedauernd an. „Ich fürchte, dass ich die Polizei einschalten muss.“
„Die Polizei?“ Hinni sah sie verstört an. „Sie meinen doch nicht, dass Bruni umgebracht wurde?“